Beschwerdemanagement

Jede Beschwerde ist eine Chance zur Verbesserung!

Dem Beschwerdemanagement ergeht es wie dem Zeitmanagement: Jeder weiß, dass es notwendig und sinnvoll ist – und trotzdem will es nicht so recht klappen mit der richtigen und effektiven Zeiteinteilung und der Wahrnehmung der Chancen, die jeder Kundenbeschwerde inne wohnt.

Woran liegt das nur? Gewiss zu einem Großteil daran, dass die meisten Führungskräfte und Mitarbeiter zwar wissen, wie es in der Theorie geht, also über eine Methodik des Beschwerdemanagements verfügen – es hapert dann aber doch allzu oft an de Einstellung. Immer noch wird der sich beschwerende Kunde als notwendiges Übel gesehen – und nicht als Informant zu Bereichen, in denen sich Unternehmen und Menschen noch verbessern können.

Ein zweiter Aspekt: Die Einstellung stimmt, aber es fehlt an der Methodik. Dritte Fehlerquelle: Bei der Reklamationsbereitung wird zu wenig darauf geachtet, mit welchem Kundentyp man es zu tun hat.

Jede Beschwerde ist eine Chance zur Verbesserung! Richtig – aber nur, wenn Ihre Mitarbeiter und Sie richtig und angemessen vorgehen und die Beschwerde als Glücksfall begreifen. Wie dies ausschauen könnte – dazu möchten wir Ihnen in unserem Artikel einige Tipps und Hinweise geben. Dabei stellen wir alle drei Aspekte in den Vordergrund – die Einstellung, die Methodik und den Versuch, ein persönlichkeitsorientiertes Beschwerdemanagement aufzubauen.

 

Begreifen Sie die Beschwerde als Glücksfall

Oberster Grundsatz eines Beschwerdemanagements ist, den Kunden und sein Anliegen ernst zu nehmen, eigene Emotionen beiseite zu stellen, die Schuld nicht auf andere zu schieben und das Gespräch in sieben Schritten auf die sachliche Ebene zu hieven.

 

Schritt 1: Aktiv zuhören – der Kunde „lässt Dampf ab“

Der Kunde beschwert sich bei Ihrem Mitarbeiter zum Beispiel, dass sich die Auslieferung der Ware verzögert hat: „Immer liefert ihr zu spät!“ Der Mitarbeiter unterbricht den Kunden nicht und hört zu. Bereits jetzt versucht er, den sachlichen Beschwerdeanlass herauszuhören. Er wartet, bis der unzufriedene Kunde „Dampf abgelassen“ hat.

 

Schritt 2: Interesse zeigen

Jetzt bekundet der Mitarbeiter ehrliches Interesse: „Ich kümmere mich gerne um Ihr Anliegen.“ Er federt die Beschwerde ab, zeigt Verständnis und nimmt dem Gespräch die Schärfe: „Ich kann gut verstehen, dass Sie über die Verzögerung verärgert sind, die mir sehr leid tut.“ Eine kundenorientierte Formulierung hilft, den psychologischen Nebel, in dem der Kunde steht, zu vertreiben.

 

Schritt 3: Problembewusstsein signalisieren

Durch geschickte Fragetechnik und aktives Zuhören kommt der Mitarbeiter dem eigentlichen Beschwerdeanlass auf die Spur. Ganz wichtig: Er setzt sich die Wahrnehmungsbrille des Kunden auf und betrachtet das Problem aus dessen Perspektive: „Sie haben diese Ware ja schon öfter bei mir bestellt. Was genau ist jetzt anders gelaufen?“

 

Schritt 4: Lösung herbeiführen

Ihr Mitarbeiter fasst die Fakten zusammen und gibt das Problem in eigenen Worten wieder. Er bringt eigene Lösungsangebote ins Spiel oder fragt den Kunden, welche Lösung ihm vor Augen schwebt.

 

Schritt 5: Konkrete Vereinbarung treffen

Ihr Mitarbeiter verbleibt so konkret wie möglich: „Ich danke Ihnen für Ihre Geduld. Ich forsche gleich nach, was es mit Ihrer Bestellung auf sich hat. Darf ich Sie telefonisch benachrichtigen? Ab wann sind Sie erreichbar?“ Vom Kunden wird das Einverständnis zu der vereinbarten Lösung eingeholt: „Sind Sie mit diesem Lösungsangebot einverstanden?“

 

Schritt 6: Dank aussprechen

Das wird oft vergessen: Nachdem sich Kunde und Mitarbeiter auf eine Vorgehensweise geeinigt haben, bedankt sich der Mitarbeiter. Denn die Beschwerde gibt ihm die Möglichkeit, einen Kunden zufrieden zu stellen, ihn an das Unternehmen zu binden und vielleicht eine Störquelle in den Arbeitsabläufen aufzuspüren: „Vielen Dank, dass Sie uns mit Ihrer Beschwerde auf diesen Umstand hingewiesen haben. Sie helfen uns weiter – und unseren anderen Kunden!“

 

Schritt 7: Vereinbarungen einhalten

Klar ist: Die Vereinbarungen müssen umgesetzt werden. Dem Versprechen: „Ich rufe Sie in einer Stunde an“, müssen Taten folgen. Darum sollte der Mitarbeiter nur das zusagen, was er auch einhalten kann.

 

Umsetzungstipp: Im Beschwerdemeeting an der Einstellung arbeiten

Um eine Beschwerde als zweite Chance zu nutzen, den Kunden doch noch zu begeistern, ist die entsprechende Einstellung notwendig. Arbeiten Sie im „Beschwerdemeeting“ gemeinsam an der richtigen Einstellung:

  • Alle Beteiligten berichten von ihren bisherigen Erfahrungen: Worüber beschweren sich die Kunden, wie ist bisher darauf reagiert worden?
  • Entscheidend ist die Diskussion der Frage, was bisher falsch gemacht worden ist.
  • Jetzt geht es an die Verbesserungsvorschläge: „Müssen wir etwas an unserer Einstellung und unserer Methodik ändern? Wie gelingt uns dies?“

 

Übung: Spielen Sie geistiges Theater

  • Ihre Mitarbeiter und Sie versetzen sich in die (auch emotional) angespannte Situation des Beschwerde-Kunden. Das fällt nicht allzu schwer, da wohl jeder von uns sich bereits einmal in der Lage eines „Beschwerdeführers“ befunden hat.
  • Und dann trainieren Sie es im Rollenspiel, die Beschwerde als Glücksfall zu begreifen, die die Chance eröffnet, den Kunden zufrieden zu stellen.

 

„Der beste Kunde ist der Kunde, der sich beschwert. Denn er gibt mir die Möglichkeit, ihm zu beweisen, dass ich besser bin als der Wettbewerb.“

Patric P. Kutscher

 

Gehen Sie kundenindividuell und persönlichkeitsorientiert vor

Das ist wahrscheinlich auch Ihr Traum: Bei jeder Beschwerde wird der aufgewühlte Kunde mit genau demjenigen Mitarbeiter ins Gespräch gebracht, der es am besten versteht, sich wertschätzend auf den Kunden einzulassen, weil er mit ihm auf einer Wellenlänge funkt. Wie kann das gelingen?

 

Hinweis 1: Das Problem erkennen

Wenn der Kunde, der präzise Hintergrundinformationen zum Beschwerdeanlass wünscht, auf einen Mitarbeiter trifft, der sich nicht die Zeit nimmt, den Kunden zu informieren, scheitert das Gespräch.

Das Scheitern droht gleichfalls, wenn der beziehungsorientierte Mitarbeiter, der mit dem Beschwerdeführer eine Wohlfühlatmosphäre aufbauen will, auf einen Kunden trifft, der zu cholerischen Übergriffen neigt. Der Kunde vermutet hinter dem Berater ein „Weichei“, der unfähig ist, den Beschwerdeanlass zügig aus der Welt zu schaffen.

 

Hinweis 2: Den Kundentypus einschätzen

Wichtig ist, dass sich Ihr Mitarbeiter mit Hilfe der Empathie in den Kunden einfühlen und das eigene Verhalten anpassen kann. Er sollte also die Persönlichkeit des Beschwerdeführers beurteilen können – und sich selbst einschätzen. Wenn er weiß, mit welchem Kundentypus er es zu tun haben, kann er sich entsprechende Reaktionsweisen erarbeiten. Die häufigsten Kundentypen sind:

  • der freundliche, menschenorientierte und eher konfliktscheue Beziehungstyp, der eine intakte Beziehung im Wohlfühlklima bevorzugt,
  • der aktive und dominante Handlungstyp, der aufbrausend und ungeduldig, aber auch problemlösungsorientiert reagiert, und
  • der analytisch vorgehende und sachlich argumentierende Typ, der sich detailverliebt oder gar detailbesessen als Experte aufführt.

 

Hinweis 3: Die Vorgehensweise anpassen

Gelingt die Einschätzung der Kundenpersönlichkeit, kann Ihr Mitarbeiter kundenindividuell vorgehen:

  • Der Mitarbeiter erkennt, dass er es mit einem dominanten Feuerkopf zu tun hat. Er weiß, dass auch er selbst dazu neigt, hitzig und dominant aufzutreten. Die Gefahr droht, dass die Beschwerdebearbeitung scheitert.
  • Also nimmt er sich zurück und aktiviert seine gesamte Beziehungskompetenz.
  • Bei der Anwendung der genannten „sieben Schritte“ berücksichtigt er, mit wem er es zu tun hat!
  • Im allerschlimmsten Fall bittet er einen Kollegen, die Beschwerde zu bearbeiten.

 

Hinweis 4: Fördermaßnahmen in Gang setzen

Sie haben nun die Möglichkeit, persönlichkeitsindividuelle Fördermaßnahmen zu ergreifen: Sorgen Sie zum Beispiel dafür, dass der sachorientierte Controller-Mitarbeiter auf der Gefühlsebene besser argumentieren kann und der dominante Mitarbeiter sich intensiv mit dem Thema „aktives Zuhören“ beschäftigt.

So fällt es Ihren Mitarbeiter leichter, Beschwerden angemessen zu bearbeiten, auch wenn sie dabei auf Kunden treffen, mit denen sie von ihrer Persönlichkeitsstruktur her anzuecken drohen.

 

Umsetzung-Tipp: Gefühlschaos des Kunden akzeptieren

Die meisten Menschen haben immer noch ein Selbstbild, nach dem wir rein rationale Wesen sind. Jedoch: Emotionen, Gefühle und Instinkte beeinflussen Entscheidungsprozesse mehr, als bisher vermutet. Die Neuroökonomik besagt, dass der Mensch jedes Signal erst einmal emotional bewertet. Das bedeutet:

  • Wenn Ihre Mitarbeiter und Sie dies akzeptieren, werden Sie nachvollziehen können, dass sich im Beschwerdefall Gefühle zu Tatsachen entwickeln.
  • Im Beschwerdegespräch sind darum Fingerspitzengefühl, Sensibilität und die Fähigkeit gefragt, sich verstehend in die zuweilen chaotisch-aufgewühlte „Beschwerde-Welt“ des Kunden einzufühlen.
  • Denn der Kunde ist schlichtweg sauer, wütend, aufgebracht, will sofort ein Lösung, zumindest aber einen Gesprächspartner, der ihm zuhört und problemlösungsorientiert vorgeht.

 

Zum guten Schluss ein Denkanstoß

Ein Kunde läuft weniger wegen des konkreten Beschwerdeanlasses zur Konkurrenz über. Vielmehr geschieht dies zumeist aufgrund einer unzureichenden Reaktion auf die Beschwerde, bei der auf die emotionale Verfassung des Kunden keine Rücksicht genommen wird.

 

Claus Lorenzen und Patric P. Kutscher

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