Kritikgespräch
Heikle Gesprächssituationen: Wer führen will, muss mehrere Sprachen sprechen
Sie kennen das: Sie betreten früh am Morgen das Büro und wissen: Heute stehen gleich mehrere schwierige Gespräche an: Da ist der dünnhäutige und kritikanfällige Mitarbeiter, dessen Arbeitsleistungen zu wünschen übrig lassen. Warum nur erreicht er die vereinbarten Ziele nicht? Das wollen Sie in einem Kritikgespräch klären – das durchaus in ein Konfliktlösungsgespräch umschlagen kann. Das Problem: Sie wollen kritisieren – und zugleich motivieren.
Danach geht es etwas ruhiger weiter: Die neue Mitarbeiterin aus der Verwaltung wünscht nach Ablauf ihrer Probezeit ein Beurteilungsgespräch, bevor sie mit einem Kunden ein Verhandlungsgespräch führen müssen.
Die schwierigste Herausforderung wartet am späten Nachmittag: In einem Tadels- oder Verwarnungsgespräch müssen Sie einem Mitarbeiter die „gelbe Karte“ zeigen – so geht es nicht weiter.
Ein ganz normaler Arbeitstag im Leben einer Führungskraft. Klar ist: Verfügten Sie über nur eine Gesprächsstrategie, über lediglich eine oder wenige Gesprächstechniken, wären die meisten der Gesprächssituationen wohl zum Scheitern verurteilt. Sie brauchen ein umfangreiches Set an kommunikativ-rhetorischen Instrumenten: Wer führen will, muss mehrere Sprachen sprechen!
Kritisieren Sie produktiv und ergebnisorientiert
Welche Gesprächsstrategie Sie auch anwenden: Bleiben Sie authentisch. Natürlich sollen Sie an Ihrem Kommunikationsverhalten arbeiten und sich neue Techniken aneignen. Wenn aber der autoritäre Chef plötzlich Süßholz raspelt, wirkt dies unglaubwürdig. Darum gilt:
Analysieren Sie Ihr bisheriges Verhalten
Wie haben Sie bisher kritisiert? Mit welchen Ergebnissen? Reflektieren Sie auch Ihr Menschenbild: Die Kommunikation fällt leichter, wenn Sie grundsätzlich den Menschen im Mitarbeiter achten.
Damit ist kein Sozial-Klimbim gemeint. Aber der Wille, im partnerschaftlichen Dialog den anderen nicht zu überreden, sondern zu überzeugen, hilft, das Konzept der „produktiven Kritik“ zu verwirklichen.
Nutzen Sie Ich-Botschaften
Ein Kritikgespräch findet immer unter vier Augen statt. Vereinbaren Sie einen Gesprächstermin – so kann sich Ihr Mitarbeiter vorbereiten. Konfrontieren Sie ihn nicht gleich mit dem Kritikanlass, gehen Sie auf eine seiner Stärken ein: „Ich bin mit Ihren Leistungen wirklich zufrieden, zum Beispiel …“ So sorgen Sie für ein angenehmes Gesprächsklima.
Vermeiden Sie es, eine provozierende Sie-Botschaft zu versenden, die er als Angriff werten wird: „Sie müssen unbedingt besser werden!“ Bringen Sie sich mit einer Ich-Botschaft selbst ins Spiel: „Früher hatte ich bei …….. auch immer meine Schwierigkeiten gehabt.“ Wahrscheinlich wird der Mitarbeiter nun fragen: „Worin bestanden denn Ihre Probleme?“ Und schon ist der konstruktive Einstieg in das Kritikthema gefunden.
Kritisieren Sie sachlich und mit Fragen
Im Mittelpunkt des Kritikgesprächs steht der sachliche Aspekt. Nennen Sie Tatsachen und versuchen Sie, den Ursachen für das kritisierte Verhalten auf die Spur zu kommen. Ihr Mitarbeiter merkt: „Der Chef zweifelt nicht an mir als Person, er will mir in der Sache helfen.“
Indem Sie Ihre Kritik in Frageform vorbringen, beziehen Sie den Mitarbeiter in die Problemlösung ein: „Was halten Sie davon, wenn Sie zukünftig Folgendes berücksichtigen …?“
Geben Sie ihm Gelegenheit, sich argumentativ zum Sachverhalt zu äußern. Ihr Part dabei: aktiv zuhören, nachfragen: „Können Sie das ausführlicher erläutern?“, und zusammenfassen: „Der Grund für Ihre Schwierigkeiten liegt also darin, …“
Sichern Sie die Ergebnisse
Produktive Kritik will Unterstützung bieten: Ziel ist, zu Ergebnissen zu gelangen, die in konkrete Vereinbarungen münden, mit denen sich der Mitarbeiter einverstanden erklärt. Verbalisieren Sie die Gesprächsergebnisse und beenden Sie den Dialog wiederum in einer positiven Atmosphäre: „Wir bitten jetzt gleich den Kollegen, Sie eine Zeit lang zu unterstützen. Langfristig sollten wir eine Weiterbildung in Betracht ziehen.“
Sie verdeutlichen: Es geht nicht darum, den Mitarbeiter zurechtzuweisen, sondern mit ihm nach Möglichkeiten zu suchen, wie er zukünftig seine Aufgaben besser erfüllen kann.
Leitfaden: Motivierend kritisieren
- Situation und Mentalität des Mitarbeiters beachten
- Kritikgespräch vorbereiten: Gesprächsziele benennen, Strategie entwickeln, Termin und störungsfreien Ort festlegen
- positive Gesprächseröffnung
- Kritikanlass als Ich-Botschaft formulieren
- sachlich bleiben, Gründe für kritisiertes Verhalten suchen
- Kritik in Form von Fragen vorbringen, Dialog aufbauen
- zukunftsfähige Problemlösung vereinbaren
Zitat
„Ich bin dankbar für die schärfste Kritik, wenn sie nur sachlich bleibt.“ – Otto von Bismarck, 1874
Ein bisschen Wortbedeutungslehre
Die meisten Menschen assoziieren bei dem Begriff „Kritik“ negative Kritik – dabei leitet er sich von dem griechischen Adjektiv kritikós ab und meint wertneutral „zur entscheidenden Beurteilung gehörig“.
Wer kritisiert, dem sollte es um die „Kunst der Beurteilung“ gehen – und nicht um das Niedermachen des Gegners.
Zücken Sie die gelbe Verwarnungskarte rechtzeitig
Schwierige Mitarbeiter, schlechte Leistungen – im Verwarnungs- oder Tadelgespräch ist Ihre Gesprächskompetenz besonders gefragt.
Tipp 1: Benennen Sie schädliches Verhalten sofort
Die Übergänge zwischen Kritik-, Konfliktlösungs- und Verwarnungsgespräch sind fließend. Beim Konfliktgespräch steht die gemeinsame Suche nach einer einvernehmlichen Lösung im Mittelpunkt, die die Interessen aller Konfliktparteien berücksichtigt.
Bei der Verwarnung ist ein Punkt erreicht, an dem das Verhalten des Mitarbeiters für Ihre Abteilung oder Ihr Unternehmen schädlich wird. Beispiel: Der Mitarbeiter gefährdet durch sein Verhalten Teamgeist und Teamarbeit. Das müssen Sie unmissverständlich ansprechen.
Tipp 2: Bereiten Sie konkrete Formulierungen vor
Überlegen Sie sich während der Gesprächsvorbereitung konkrete Formulierungen, die frei von jeder Schuldzuweisung sind. Vermeiden Sie eine unklare und interpretierbare Äußerung: „Ich glaube, wir müssen uns mal miteinander unterhalten …“
Tipp 3: Zeigen Sie konsequent Grenzen auf
Ihr Ziel im Verwarnungsgespräch ist es, dem Mitarbeiter seine Grenzen aufzuzeigen – etwa so, wie ein Schiedsrichter einen Fußballer erst einmal mit einer gelben Karte verwarnt, bevor er ihn vom Platz stellt.
Die Gratwanderung zwischen eindeutiger Ansprache und der Gefahr der Konflikteskalation gelingt, wenn Sie die problematischen Sachverhalte ohne Beschönigung ansprechen, dabei jedoch vermeiden, ihn persönlich zu beschuldigen.
Rücken Sie die Auswirkungen der verwarnungswürdigen Handlung in den Vordergrund: „Ist Ihnen bewusst, dass Sie durch Ihr Tun das Team daran hindern, seine Aufgaben zu erfüllen? Sie schaden der Abteilung und dem Unternehmen – und sich selbst. Ich nenne Ihnen Beispiele: …“
Tipp 4: Belegen Sie Ihre Äußerungen
Wahrscheinlich steht der Mitarbeiter jetzt im psychologischen Nebel. Das Gespräch stresst ihn enorm – die Gefahr der unsachlichen Reaktion ist da. Wenn Sie nicht nur verwarnen, sondern ihn zugleich wieder ins Teamboot zurückholen wollen, gilt: Legen Sie die Fakten zu Ihrem Vorwurf neutral und emotionslos auf den Tisch und sprechen Sie nur Dinge an, die Sie zweifelsfrei belegen können. Am besten ist es, wenn Sie „aus eigener Erfahrung“ sprechen und Situationen zitieren, bei denen Sie selbst dabei waren.
Tipp 5: Schließen Sie das Gespräch so konkret wie möglich ab
Der Mitarbeiter hat einen Anspruch darauf, ohne Umschweife zu erfahren, worum es geht. Wenn Sie zunächst nach dem letzten Urlaub fragen, relativieren Sie die Ernsthaftigkeit der Situation.
Holen Sie ihn zum Gesprächsabschluss ins zukunftsorientierte Fahrwasser zurück und vereinbaren Sie Ziele mit ihm, die sicherstellen, dass sich eine ähnliche Situation nicht wiederholt. Betonen Sie aber auch, dass Sie sich nicht scheuen, im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen.
Umsetzung: Stufenweise vorgehen
- Stufe 1: Kritikgespräch und/oder Problemlösungsgespräch führen
- Stufe 2: Tadelsgespräch führen
- Stufe 3: Arbeitsrechtliche Maßnahmen (zum Beispiel Abmahnung) prüfen
Tipp: Lob und Tadel aussprechen
Ein Lob zur rechten Zeit und ein Tadel zur rechten Zeit – dies ist der richtige Weg. Wer nur lobt, wirkt genauso unglaubwürdig wie der, der nur tadelnde Pfeile in seinem Führungsköcher hat und stets nur das Negative bemerkt. Machen Sie sich klar, dass das Verwarnungsgespräch ebenso zum Führungsrepertoire gehört wie die „angenehmeren“ Mitarbeitergespräche.
Zitat
„Nicht nur Lob, sondern auch Tadel zur Unzeit bringt Schaden.“
Plutarch
Claus Lorenzen und Patric P. Kutscher